Überblick

  1. Auf einen Blick

  2. Die frühe Zeit

  3. Die Stauferzeit

  4. Die Verpfändung des Egerlandes

  5. Die Gefährdung der Selbständigkeit des Egerlandes

  6. Die Reformation

  7. Der Dreißigjährige Krieg

  8. Die Zeit des Absolutismus

  9. Das 19. Jahrhundert

  10. Der Erste Weltkrieg - Gründung der Tschecho-Slowakei

  11. Die 1. Republik

  12. Das Abkommen von München

  13. Das Egerland im Deutschen Reich

Die Herkunft der Deutschen in NW-Böhmen

Das staatsrechtliche Verhältnis von Eger zu Böhmen

Der Titel der Stadt Eger

Der „Winterkönig“ und der Mythos von der Schlacht am Weißen Berg

Der „Winterkönig“ in Waldsassen und Eger

Die Badenischen Sprachenverordnungen

Der Volkstag in Eger

Die deutsche Sprache in der Tschechoslowakei

Anti-sudetendeutsche Politik in der 1. Tschecho-slowakischen Republik

Eine politische Legende

Ev.Kirche in Böhmen

Friedenskirche Eger

Die Konferenz von Potsdam

Die Vertreibung

Der tschechische Nationalismus

Premysl Pitter 1895 - 1976

Dekrete des Edvard Benesch

Tschechisches Lagersystem

Die Außerordentlichen Volksgerichte

Diskriminierende Maßnahmen gegen alle Deutschen

Standgerichte in der Tschechoslowakei im Mai 1945

Todesmärsche während der Verteibung

Massaker während der Vertreibung

10 Jahre tschechische Internierung

Der Beginn der Egerer Zeitung: „Egerer Anzeiger“

Die „Egerer Zeitung“ im Januar 1945

Die „Egerer Zeitung“ im Feber 1945

Die „Egerer Zeitung“ im März 1945

Die „Egerer Zeitung“ im April 1945

Fliegeralarm in Eger

Das Kriegsende in Eger 1945

F.Dorschner: Die letzten Tage in der Heimat

Der Egerer Stadtwald

Der Egerer Bahnhof

Die Egerländer Gedenkhalle

Der Erste Weltkrieg - Gründung der Tschecho-Slowakei

Während des Ersten Weltkrieges hofften die ins Exil gegangenen tschechischen Politiker um Masaryk und Beneš auf eine Niederlage der Mittelmächte, um einen Nationalstaat schaffen zu können. Tschechische Deserteure bildeten in den Gegnerstaaten der Mittelmächte militärische Einheiten, die sog. "Tschechische Legionen", die einerseits auf deren Seite kämpften und nach Ende des Krieges das erwünschte Staatsgebiet besetzen und schon auch mit Anwendung von Gewalt "vollendete Tatsachen" schaffen konnten. Die Sieger des Weltkrieges 1914 - 1918 brachen mit einer jahrhundertealten europäischen Tradition und schlossen die Verlierer von den Friedenverhandlungen aus; eine verhängnisvolle Fehlentscheidung. Der habsburgische Vielvölkerstaat wurde zerschlagen; während die Deutschen und Ungarn zu den Verlierern gehörten, hatten es die Tschechen erreicht, zu den Siegern gezählt zu werden. Am 28.9.1918 erkannten die Entente-Mächte den sog. tschechoslowakischen Nationalrat, gegründet 1916 von Masaryk und Beneš, als vorläufige tschechoslowakische Regierung an. Organisationen der Tschechen und Slowaken in den USA hatten während des Ersten Weltkrieges sich darüber geeinigt, wie ein gemeinsamer Staat aussehen sollte. Im "Pittsburger Vertrag" wurde dies festgehalten und am 30.5.1918 auch von T. G. Masaryk mitunterzeichnet; von diesem wurde später der Vertrag nur als lokale Abmachung der amerikanischen Tschechen und Slowaken bewertet, während für die Slowaken es die Bedeutung einer Magna Charta hatte. Die aus der Not geborene Fiktion einer tschecho-slowakischen Nation sollte sich sehr bald als brüchig erweisen, da sie eben weder in der Geschichte eine Grundlage hatte noch in der Politik der Ersten Republik eine Bestätigung fand.

Es wurde nun kein Nationalstaat gefordert,wie es andere Völker verlangten, sondern ein Staat in den sogenannten "historischen Grenzen" Böhmens, den durch Zufall von Politik zustandegekommenen Grenzen; somit mußte nun wieder ein Vielvölkerstaat entstehen wie der Jahrzehnte lang von den Tschechen bekämpfte habsburgische. Allerdings wollte man sich auch mit den historischen Grenzen nicht begnügen, wenn man die Slowaken, die man zur Mehrheitsbildung brauchte, mit in den Staat nehmen mußte; schließlich gehörten diese seit tausend Jahren zu Ungarn und hatten so historisch und kulturell mit den Tschechen nichts gemeinsam. Die Widersprüchlichkeit der Argumentation von Beneš wurde auf der Friedensverhandlung durchaus erkannt. Proteste der Deutschen wurden negiert und friedliche Demonstrationen gegen die Einbeziehung in den geplanten Staat mit Gewalt von den tschechischen Legionären niedergeschlagen.

Die Bewohner Egers und des Egerlandes wurden nun zu den "Sudetendeutschen" gezählt, ein neu entstandener Begriff, der alle Deutsch-Böhmen zusammenfaßte, so unterschiedlich sie sein mochten. Zum letzten Male wurde bei den Friedensverhandlungen die Tatsache angeführt, daß Eger als Stadt des Reiches nie nach Böhmen incorporiert gewesen sei. Auch Eger wurde natürlich von den tschechischen Truppen besetzt. Die Sieger ließen weder den Anschluß Deutsch-Österreichs an das Reich zu noch den der von Deutschen besiedelten Randgebiete Böhmens. Der Ruf nach dem Selbstbestimmungsrecht war vergeblich; bei den Friedensverhandlungen wollte man überhaupt keine Abstimmungen - wie vorgeschlagen - zulassen, da man befürchtete, daß dann möglicherweise für den tschecho-slowakischen Staat nichts mehr übrig bleiben würde. Auch Beneš äußerte sich über zu erwartende Abstimmungsergebnisse widersprüchlich, was wohl auch auf dessen Unsicherheit hinweist.

Bedenken gegen den geforderten Vielvölkerstaat und auch dagegen, daß man die deutschen Feinde darin haben wollte, begegnete Beneš damit, daß er "Schweizer Verhältnisse" versprach. Als ihn im Mai 1919 der Vorsitzende der Kommission für die neuen Staaten, Berthelot, einlud, die Vorstellungen seiner Regierung von der inneren Gestaltung der Tschechoslowakei näher zu präzisieren, kam Beneš diesem Wunsche mit seiner Note vom 20. Mai nach. In Punkt 1 seiner Note heißt es: "Die tschechoslowakische Regierung hat die Absicht, ihren Staat so zu organisieren, daß sie als Grundlage der Nationalitätenrechte die Grundsätze annimmt, die in der Verfassung der schweizerischen Republik zur Geltung gebracht sind. D. h., sie will aus der Tschechoslowakischen Republik eine bestimmte Art Schweiz machen, wobei sie, wie sich von selbst versteht, die besonderen Verhältnisse in Böhmen in Betracht zieht." Ergänzt wurde seine Festlegung auf die Grundsätze der schweizerischen Konstitution noch durch weitgehende Zusicherung in der Sprachenfrage. Es heißt im Punkt 8 der Note: "Die offizielle Sprache wird die tschechische sein; in der Praxis wird jedoch die deutsche Sprache die zweite Sprache des Landes sein und laufend in der Administration, vor den Gerichten und im zentralen Parlament auf Grundlage der Gleichheit verwendet werden."

Diese Erklärung hat Berthelet dann am selben Tag in der Sitzung der Kommission für die neuen Staaten verlesen und damit offiziell den Konferenzprotokollen einverleibt. Es wäe ein ehrliches und demokratisches Handeln gewesen, wenn Beneš die Regierung und das Parlament seines Landes von den Verpflichtungen in Kenntnis gesetzt hätte, die er in der Note vom 20. Mai übernommen hat. Die Grundsätze, die er darin niederlegte, konnten ja nur im Rahmen der Verfassung realisiert werden, deren Beratung die Revolutionäre Nationalversammlung sofort nach Abschluß des Friedensvertrages in Angriff nahm.

Was am 20. Mai 1919 in Saint-Germain von Beneš im Namen der tschechoslowakischen Regierung versprochen wurde, ist aber bis zum 10. Oktober 1937 in der Tschechoslowakei verheimlicht worden.

In der späteren Erörterung dieses Vorgangs hat sich Beneš stets auf den einschränkenden Nachsatz berufen, wonach bei der Gestaltung der Tschechoslowakischen Republik in eine bestimmte Art Schweiz, "wie sich von selbst versteht, die besonderen Verhätnisse in Böhmen in Betracht gezogen" werden sollten. Dieser Nachsatz diente der Ausrede, die tschechoslowakische Verfassung hätte eben die besonderen Verhältnisse Böhmens in Betracht gezogen und sei deshalb zu keiner anderen Lösung gelangt. Diese Behauptung spekuliert auf die Unkenntnis der Strukturverhältnisse in beiden Ländern. Die Note vom 20. Mai 1919 anerkannte als Vorbild ausdrücklich die Grundsätze der schweizerischen Verfassung. Diese Grundsätze kennen weder den Begriff des Staatsvolkes, noch den Begriff der Minderheiten, noch das Prinzip einer bevorzugten Staatssprache. In der Schweiz werden die Ämter, wie die des Bundespräsidenten oder Außenministers, der Reihe nach mit dem Würdigsten besetzt. In der Tschechoslowakei hätte kein Deutscher oder Ungar Parlamentsvorsitzender, Außenminister oder Staatspräsident werden können.