Vor 65 Jahren: Die "Egerer Zeitung" im Feber 1945
(Hermann Stock)
(1. Fortsetzung)

 

Einschränkungen im täglichen Leben:

Gab es im Jänner schon ab und zu eine Zweiseiten-Ausgabe der EZ, so wird dies nun im Feber zur Regel, mehr als vier Seiten konnte man schon lange nicht mehr drucken. Der Leser wurde damit getröstet, "daß trotz des kleineren Formats der Inhalt kaum an Umfang und erst recht nicht an Güte eingebüßt hat!" Der Leser soll "auf diesen zwei Seiten alles finden, was auf dem Kriegsschauplatz vorgeht, was es in der Politik Neues gibt, was sich in Stadt und Land tut! Auch aus dem Reich der Kunst und Wissenschaft und der Unterhaltung bringen wir das, was sich auf dem beschränkten Raum unterbringen läßt ..." Aber leider konnte die Redaktion schon bei der Vierseiten-Ausgabe fast nur mehr Berichte über die Kriegslage und die Politik der Alliierten bringen, ganz wenige Lokalnachrichten und die Gefallenen-Anzeigen natürlich. Sicher konnten viele nun die Zeitung nur mehr - wegen des kleinen Druckes - mit Lupe lesen.


Auf die Beschränkungen bei Dingen des täglichen Lebensbedarfes und von Nahrungsmitteln war man nun viele Jahre eingestellt; im Reich hatte man ja schon in den Jahren der Kriegsvorbereitung die Konsumgüterindustrie zugunsten der Rüstung gedrosselt; 1942 sah sich Göring vor die Aufgabe gestellt, die Preise oder Steuern zu erhöhen, um Kaufkraft abzuschöpfen, weil es an Konsumgütern und Nahrungsmittel mangelte, aber gleichzeitig die Volksmoral aufrecht zu erhalten. In den letzten Kriegswochen kamen noch hinzu die Bombenschäden, Schwierigkeiten des Transportes ... Letzteres wurde angeführt als Grund für die Kürzung beim Bezug von Kartoffeln: "Mit Beginn der 72. Zuteilungsperiode ab 5. Feber 1945 wird der gegen Vorlage des Bezugsausweises für Speisekartoffeln auszugebende Wochensatz um 1/2 Kilo herabgesetzt. Ebenso werden die eingekellerten Mengen dadurch dem neuen Wochensatz angepaßt, daß sie eine entsprechend längere Zeit reichen müssen. Daher werden Versorgungsberechtigte, die 150 Kilo eingekellert haben, verpflichtet, von ihren Vorräten 25 Kilo Speisekartoffeln wieder abzugeben. Eine Einkellerung darf nicht mehr vorgenommen werden; es können Speisekartoffeln also nur noch laufend gegen Abtrennung des jeweils gültigen Wochenabschnitts bezogen werden. ..." Eine kräftiger Rahmen umgab sehr auffallend den Satz: "Pellkartoffeln sind nicht nur gesund, sie helfen auch Kartoffeln sparen." Auf "Sparsamste Kartoffelverwendung" wird immer wieder hingewiesen: "Das sparsame Kochen der Kartoffel mit der Schale scheint man also vielfach immer noch nicht zu kennen. Eine derartige Verschwendung eines unserer wichtigsten Nahrungsmittel schreit in heutiger Zeit geradezu zum Himmel. ...in der ernsten Zeit, durch die wir jetzt hindurchmüssen, ist jedoch jede, auch die geringste Vergeudung ... ein Verbrechen..." Besonders angeprangert wird, daß in Großküchen immer noch die rohe Kartoffel mit dem Messer "großzügig" geschält wird und so zuviel verloren geht.


Die Ausführungen über die Gültigkeit von Kartenabschnitten für den Bezug von Lebensmitteln, deren Verfall oder Übertragungsmöglichkeiten füllen Spalten, und aus diesen Ausführungen wird ersichtlich, daß die Leute schon eine lange Einübungszeit hinter sich hatten und Detailwissen erwerben mußten, denn für den heutigen Leser erschließt sich vieles überhaupt nicht mehr. Mit welchen Mengen gerechnet werden mußte, wird aus folgendem deutlich: ´"In der 72. Zuteilungsperiode erfolgt die zweite Kürzung der Käseration um 62,5 Gramm als Restausgleich für die im 69. Zuteilungsabschnitt erfolgte Fleischzuteilung. Die Käseration beträgt daher 62,5 Gramm; sie wird abgegeben auf den dafür vorgesehenen Käseabschnitt. Die Versorgungsberechtigten im Alter von zehn bis achtzehn Jahren erhalten, wie angekündigt, ... 200 Gramm Marmelade. ... Mit dem ihnen zustehenden Zucker sind die Verbraucher bereits ... versorgt." An Seife und Waschmittel wurde abgegeben für alle Verbraucher über drei Jahre 1 Stück Einheitsseife oder 1 Stück Bimssteinseife oder 100 Gramm hautschonende Reinigungsmittel.


Aber auch für die Raucher gab es zum 5. Feber eine Änderung: "Die Raucherkarten für männliche Berechtigte, die M-Karten, werden sechs Abschnitte enthalten, von denen, auf die Zigarette als Versorgungseinheit bezogen, jeder zum Kauf von zehn Zigaretten berechtigt. ... Die M-Raucherkarten ... enthalten ferner einen Abschnitt zum Bezug von einem Stück Rasierseife..." Die Raucherkarten für Frauen enthielten nur die halbe Anzahl von Abschnitten wie die M-Raucherkarten, außerdem benötigten sie ja keine Rasierseife.


Während des Winters war auch nicht genügend Heizmaterial vorhanden; "... der Kohlenhändler darf mit Rücksicht auf die derzeitige Kohlenversorgung nur dann Kohle an die Kunden verabfolgen, wenn sie vom Hausbesitzer bzw. Hausverwalter eine eidesstattliche Erklärung vorlegen, daß sie keinerlei Kohle mehr lagern haben. ...".


In einem aufmunternden Kommentar zu den vielen Problemen des täglichen Lebens hatte sich der Satz eingeschlichen:"Wollte man sich über all das aufregen, man käme aus dem Ärger nicht mehr heraus".


Post und Reiseverkehr:

Post und Eisenbahn hatten mit der fortschreitenden Verschlechterung der Kriegslage mit immer größeren Problemen zu kämpfen; die Züge benötigte man für die Versorgung der Front, es gab Mangel an Arbeitskräften und die Bombardierungen taten ihr übriges. Im Postleitgebiet 11 a (= Sudetengau ohne Regierungsbezirk Troppau) schien die Post noch relativ gut arbeiten haben können; folgende Sendungen waren noch zugelassen: "Postkarten und gewöhnliche Briefe bis 1 Kg von und an jedermann; eingeschriebene Briefe und Wertbriefe bis 100 Gramm von und an jedermann; Pakete bis 15 Kg von und an jedermann; Zeitungen. Über die Zulässigkeit von Sendungen nach allen übrigen Postleitgebieten erteilen die Postämter die näheren Auskünfte."


Ballast über Bord!

Seit Jahresbeginn wurden die Bürger gedrängt, "alles Entbehrliche" für die Bedürfnisse der Wehrmacht, Volkssturm und Bombengeschädigte abzugeben. "Erstmalig handelt es sich nicht um eine Spende, sondern um ein Opfer, zu dem die deutsche Führung aufrief. Es geht nicht wie im Winter 1941/42 darum, sich von der für Kriegsdauer ohnehin entbehrlichen Wintersportausrüstung zu trennen, es handelt sich auch nicht um die Abgabe von anderen entbehrlichen Kleidungs- oder Wäschestücken. 6 Kriegsjahre haben durch den unabwendbaren Verschleiß und durch öffentliche und private Spenden den Bestand in jedem Haushalt auf das notwendigste reduziert ... Erneuerungen sind im Augenblick unmöglich ... Und aus diesen Beständen ... soll sie (= die Hausfrau) jetzt noch etwas abgeben?" Das war selbstverständlich nur eine rethorische Frage, denn die Anwort war jedem und jeder klar. Zur Veranschaulichung nimmt der Autor das auf den ersten Blick eindrucksvolle, jedoch ziemlich schiefe Beispiel eines Ballons, aus dem Sand abgelassen werden muß, wenn man Höhe und Fahrt gewinnen will. "Dieses Beispiel sollte jeder für sich anwenden: werft den Ballast über Bord, damit der Kampf Deutschlands um seine Freiheit einen raschen Sieg entgegengeht." Der Autor illustrierte hier die von Hitler überlieferte Bemerkung: "Die Vernichtung wirkt sich tatsächlich zu unseren Gunsten aus, denn sie schafft einen Stamm von Leuten, die nichts zu verlieren haben, also Leute, die deshalb mit äußerstem Fanatismus weiterkämpfen werden." Ob diese Art von Zynismus große Teile der Bevölkerung erfaßte??


Des fünfundzwanzigsten Jahrestages der Verkündung des NSDAP-Parteiprogrammes wurde besonders gedacht: "Die Gewißheit des Sieges / In größter Not den härtesten Charakter / Führer-Proklamation zum 25. Jahrestag der Verkündung des Parteiprogrammes / Ein feierliches Bekenntnis zu Volk und Reich / Ganz Deutschland fanatisch im Einsatz und im Glauben an den Endsieg". Aus der Hitler-Rede wird u.a. wörtlich wiedergegeben: "... Pflichtbewußtsein und Arbeit verbieten es mir, in einem Augenblick das Hauptquartier zu verlassen, an dem sich zum 25. Male der Tag jährt ...Dieselbe Koalition unversöhnlicher Feinde war schon damals im Kampfe gegen das deutsche Volk vereint wie jetzt. Das unnatürliche Bündnis zwischen ausbeuterischem Kapitalismus und menschenvernichtendem Bolschewismus ...Damals eine völlig gelähmte Nation, heute eine sich mit äußerstem Fanatismus wehrendes Volk ...Wäre dem damaligen Deutschland nur ein Bruchteil der Widerstandkraft des heutigen zu eigen gewesen, so wäre es nie zusammengebrochen! ..." Für diejenigen, welche die Widerstandskraft und den Glauben an den Endsieg nicht aufbrachten, wurden Standgerichte geschaffen; "... sie sind für alle Straftaten zuständig, durch die deutsche Kampfkraft oder Kampfentschlossenheit gefährdet sind"; "...zur Sicherheit und für den Bestand des Reiches" werden "Feigheit, Eigennutz mit dem Tode bestraft."


Internationale Politik:

Die Dreierkonferenz - Roosevelt, Churchill, Stalin - ist immer wieder Anlaß auch englische Zeitungen, z.B. "Daily Express" zu zitieren, in der ein Kommentator äußert, er sei der Überzeugung, "daß eine Nation wie die deutsche unter einer Volksführung, wie sie sie heute besitzt, mit den Waffen nicht geschlagen, sondern nur durch Selbstzersetzung und Trennung von Volk und Führung zu Boden gezwungen und vernichtet werden kann." Es sei ein "plumper Versuch, Volk und Führung trennen zu wollen"; nicht zu übersehen ist hier auch der plumpe Versuch, das Volk zum unbedingten Durchhalten zu ermutigen. "Die englische Zeitung 'Daily Express' bestätigt in einem Artikel nochmals den Vernichtungsplan unserer Feinde, in dem Roosevelt, Churchill und Stalin völlig übereinstimmten." Deutschland solle versklavt werden und vor allem Rußland Millionen Sklavenarbeiter liefern.


Bombardierung:

Im Feber mußten deutsche Städte schwere Schläge der alliierten Bomberflotten hinnehmen, da es keine wirkungsvolle Luftverteidigung gab, die Göring und Hitler mit falschen Entscheidungen verhinderten. So wurde am 13. Dresden den Erdboden gleichgemacht; nur mit zwei Sätzen wurde dieses Bombardement erwähnt; am 14. Feber hieß es im OKW-Bericht:

"Deutscher Abwehrerfolg im Westen ... Die Briten richteten in der vergangenen Nacht Terrorangriffe gegen das Stadtgebiet von Dresden. Durch Luftverteidigungskräfte verloren die Anglo-Amerikaner gestern 37 Flugzeuge ..." und am 20. Feber: "Luftgangster versuchen zu kneifen ....Die Erklärung schließt mit Bezug auf die Terrorangriffe auf Dresden zynisch mit dem Satz:' Die Tatsache, daß die Stadt zur Zeit des Angriffs mit Flüchtlingen überfüllt war, war reiner Zufall'." Das abgelegene und kleine Eger kam glimpflicher davon, hatte aber auch Opfer zu beklagen; so heißt es unter dem 20. Feber 45: "Bei dem auf das Kreisgebiet Eger erfolgten Luftangriff sind für Führer und Reich gefallen: Günter Dürrmann, 1940 geb., Eger. Gretl Kahla, geb. Dürrmann, 1908 geb., Eger. Rudolf Werner, 1897 geboren, Au." Die Anzeige ist unterzeichnet von Henlein und dem Kreisleiter Bog.


Gefallenen-Anzeigen im Feber: 92.