Vor 65 Jahren: "Egerer Zeitung" im April 1945
(Hermann Stock)
(3. Fortsetzung)

Über die Haltung und Einstellung der Bevölkerung zur Führung des Reiches und zum Ausgang des Krieges gibt es heute "eindeutige" Aussagen, vor allem von Leuten vorgetragen, welche diese Zeit nicht bewußt erlebten (erleben brauchten); d.h., daß diese mehr von einer Weltanschauung geprägt sind als von Einfühlungsbereitschaft und -vermögen. Die Zeitung gibt wiederum nur das her, was von der Obrigkeit an das Volk herangetragen wurde an Wünschen, Anordnungen und Zumutungen.


Kriegsverlauf:

Am Dienstag nach Ostern (am 3. April) sprang die Leser die Schlagzeile an: "Kampf bis zum letzten Atemzug" und darunter war zu lesen: " ... Ein Hundsfott, der seinen vom Feind angegriffenen Gau ohne ausdrücklichen Befehl des Führers verläßt, wer nicht bis zum letzten Atemzug kämpft; er wird als Fahnenflüchtiger geächtet und behandelt. Reißt hoch die Herzen und überwindet alle Schwächen! Jetzt gilt nur noch eine Parole: Siegen oder fallen! Es lebe Deutschland! Es lebe Adolf Hitler!"


Notgedrungen mußte zugegeben werden: "... Unsere Lebens- und Kampfbasis ist eng geworden. Trotzdem: ob der Augenblick schon da ist, in dem wir die Truppen in die Schlacht führen, die die letzte Runde für uns entscheiden sollen und die Errungenschaften unserer Waffentechnik eingesetzt werden dürfen, die die Überlegenheit der Gegner an Menschen und Material ausgleichen, kann nur unsere Führung entscheiden. Uns bleibt immer nur das Gebot der Standhaftigkeit zu erfüllen, dort zu kämpfen, wo gekämpft werden muß ..."


Am 17. April erscheint noch ein Aufruf, von Adolf Hitler unterzeichnet mit der Überschrift: "Vor Berlin wird der Feind verbluten". Zweifellos Richtiges formulierte Goebbels mit den Sätzen: "Wir durchschreiten die Schlußphase dieses Krieges. Er kann nach menschlichem Ermessen nicht allzulange mehr dauern. Es geht also jetzt um die Entscheidung." Und zum Geburtstag Hitlers: "Der Führer wird den Ausweg zeigen!"


Durchhalten - Ziviler Widerstand gegen den Feind

Unter der Überschrift: "Werwolf an alle Deutschen" war zu lesen: "Am Ostersonntag erklang aus dem Aether erstmalig der Ruf eines neuen Senders, der sich 'Werwolf' nennt und als Organ einer Bewegung der nationalsozilistischen Freiheitskämpfer an die Öffentlichkeit tritt, die sich in den besetzten West- und Ostgebieten des Reiches gebildet hat. Das Hauptquartier dieser Bewegung wandte sich über den Sender mit einer Proklamation an das deutsche Volk, die den fanatischen Willen deutscher Männer und Frauen, deutscher Jungen und Mädel in den besetzten Gebieten betont, hinter den Rücken des Feindes den Kampf für Freiheit und Ehre unseres Volkes fortzusetzen und dem Feinde blutig heimzuzahlen, was er dem deutschen Volke angetan hat...."

Eine Woche später vermeldet man optimistisch, daß die Werwolfbewegung "von unseren Feinden bereits als außerordentlich gefährlicher Gegner erkannt worden." sei; und daß neutrale Korrespondenten aus London die dortige Einstellung (?) mit den Worten zusammenfaßten: "Unter diesen Umständen werden wir mit den Deutschen nie fertig"; die Stockholmer Zeitung "Svenska Morgenbladet" soll festgestellt haben, daß die Alliierten darauf vorbereitet sein müßten, überall in Deutschland Werwölfe anzutreffen.

In der Pfalz sollen Frauen kochendes Wasser auf amerikanische Soldaten gegossen haben, denn "die steigende Mißhandlung der deutschen Bevölkerung in den besetzten Gebieten durch die angloamerikanischen Eindringlinge, die gewalttätige Wegnahme der Wohnungen, die Aushungerung der Bevölkerung und der niederträchtige Zwang zur Sklavenarbeit weckt den Widerstand ..."



Das tägliche Leben in Eger

Die Egerer hatten andere Sorgen; so mußte die EZ am Montag, den 9. April berichten: "Die britisch-amerikanischen Mordbrenner richteten in den Sonntag-Mittagsstunden einen schweren Terrorangriff auf die alte Staufenstadt Eger. Sie warfen wahllos Spreng- und Brandbomben."


Wenn die direkte Lebensbedrohung vorüber war, hatte man weiter für die täglichen Dinge zu kämpfen. Am meisten wohl für die tägliche Nahrung; im "EZ-Ratgeber" vermittelt man immer neue Hinweise, wie man mit den zur Verfügung stehenden geringen Mitteln etwas Eßbares auf den Tisch bringen könnte. So wird z. B. erklärt, wie aus den Trockenkartoffeln, die ausgegeben wurden, Bratkartoffeln - mit sehr wenig Fett - gemacht werden können; man spare auch Feuerung, denn die Garzeit sei nicht so lange wie bei frischen Kartoffeln.

Ob sich die frustrierten Biertrinker an Hand des Artikels: "Selbstherstellung von Bierersatzgetränken" helfen konnten?

Vor dem Kochen mußte damals wohl in der Regel noch der Kohleherd angeheizt werden, sofern man Zündhölzer hatte, denn diese wurden "nur noch gegen Vorlage des Haushaltspasses abgegeben".

Wer Elektrogeräte benutzte, hatte zu bedenken, daß der "Kohlenklau"zu bekämpfen war: "... Wir entlasten die Stromversorgung am besten, wenn wir alle Geräte, die eine Anschlußschnur (Abschlußschnur) besitzen (soweit ihr Gebrauch nicht schon untersagt ist), jetzt nicht benutzen, insbesondere alle Wärmgeräte. Wer es immer wieder vergißt, plombiert die Steckdose mit einem Papierstreifen. Das regt auch zum Nachdenken über Verbrauchssünden und über Kohlenklau an! Seid auf der Hut und trefft ihn gut!" Letzterer Satz wurde fast in jeder Ausgabe eingerahmt wiederholt.

Aus Bischofteinitz konnte eine nachahmenswerte Aktion der HJ berichtet werden: "In der immer schwieriger werdenden Schuhversorgung des Jugend hat sich die Hitlerjugend erfolgreich eingeschaltet, wie eine kleine Ausstellung in einer Auslage der Stadt zeigt. Dort sind einige hübsche selbstgefertigte Muster brauchbarer Holzschuhe ausgestellt, wie sie im Sommer leicht Verwendung finden können. In der Banndienststelle sind Holzsohlen lagernd, die von den Mädchen mit Stoff und Spagat zu nettem, praktischen Sommerschuhwerk umgestaltet werden können."

Daß man mit diesem "Schuhwerk" sicher schlecht Rad fahren konnte, war wohl kein Trost dafür, daß "Fahrräder einschließlich Zubehör, die sich im Besitze von Zivilpersonen befinden", beschlagnahmt wurden. Ausnahmen gab es nur für solche Räder, die für die Fahrt zur Schule gebraucht wurden, wenn diese mehr als drei Kilometer entfernt war; seltsamerweise galt diese Ausnahme nicht für die Fahrt zur Arbeitsstätte.


Gefallenenanzeigen im April: 81