Das Abkommen von München
Es war nur folgerichtig, daß man in Berlin die Sudetendeutschen - um die man sich im "Reich" nie scherte - als Mittel der Politik entdeckte und sie entsprechend gebrauchte; ab 1937 machte Hitler mit dem Problem Druck auf die internationale Öffentlichkeit. Für die staatstreuen ("aktivistischen") Parteien der Sudetendeutschen war es nun eine Existenzfrage, von Beneš in den Fragen eines Minderheitenrechtes, Selbstverwaltung und Kulturautonomie reale Zugeständnisse zu erhalten. Der Vorstoß wurde von einflußreichen tschechischen Politikern unterstützt und scheiterte in erster Linie an Beneš. Im August 1938 äußerte er gegenüber amerikanischen Diplomaten, er sei nicht bereit, die Deutschen als zweites Staatsvolk anzuerkennen. In dem diplomatischen Gerangel vor dem Münchner Abkommen entwickelte er für den französichen Ministerpräsidenten einen neuen Plan zur Sudetenfrage. Beneš hatte anerkennen müssen, daß eine ungestörte Assimilation der Deutschen nicht möglich war, so schlug er vor, das Egerland abzutreten und einen Zipfel Nordostböhmens, insgesamt ca. 4 - 6 000 qkm; dazu sollte Deutschland 1,5 - 2 Millionen Sudetendeutsche in sein Gebiet übernehmen. Das sudetetendeutsche Siedlungsgebiet betrug ca. 30 000 qkm mit 3,39 Millionen Einwohner. Die Westmächte lehnten den Plan ab mit dem Hinweis, daß die Staatsgrenze mit der ethnischen Grenze zur Deckung gebracht werden sollte. Von nun an war der Gedanke der Aussiedlung der Deutschen aus dem Sudetengebiet ein fester Bestandteil von Beneš's Politik. Auch den Siegermächten, welche die Tschechoslowakei ermöglicht hatten, brannte das Problem auf den Nägeln, als sie erkennen mußten, daß man in Prag gar nicht daran dachte, die von Beneš versprochenen "Schweizer Verhältnisse" herzustellen. So zwang 1938 die englische Regierung Prag den Vermittler Lord Runciman auf, der die Lage in der Tschechoslowakei mit Hilfe einer Kommission untersuchen und Vorschläge zur Befriedung der "Minderheiten" unterbreiten sollte. Als Hitler damit drohte, die Sudetendeutschen notfalls mit Gewalt "heim ins Reich holen" zu wollen, kam es am 29. September 1938 zwischen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien zum sog. "Abkommen von München", das die Tschechen als das "Diktat von München" bezeichnen, in dem die von Deutschen bewohnten (Rand-)Gebiete der Tschechoslowakei an Deutschland angegliedert wurden.